„Pferde füttern“ wie ein Profi

„Pferde füttern“ wie ein Profi

Falls das nasskalte Wetter dem Therapiepferd Paul etwas ausmachen sollte, dann lässt er sich nichts anmerken. Entspannt kaut der Norweger vor dem Reitstall in Bethel etwas Heu und wartet gelassen auf seinen Auftritt. Weitaus weniger entspannt als das routinierte Therapiepferd sind die beiden jungen Frauen, deren Fachwissen an diesem Märzmorgen auf die Probe gestellt wird.

Juliana Schuhmacher und Lia-Christin Nußbaum stellen sich dem praktischen Prüfungsteil des Qualifizierungsbausteins „Pferdefütterung“. Für sie endet damit eine lange und gründliche Vorbereitungsphase: Binnen eines Jahres erwarben sie in Theorie und Praxis die notwendigen Fachkenntnisse. Jetzt wird das Erlernte in einer zweistündigen Prüfung abgefragt. Unter Anleitung von Reitstall-Mitarbeiterin Christina Mausolff lernten die beiden Frauen alles rund um die Fütterung der Vierbeiner, die im Reitstall Bethel im Einsatz sind.

Rübenschnitzel, Maisschrot und Getreide

Christina Mausolff (r.) zeigte ihren Schülerinnen, wie ein Pferd fachgerecht vermessen wird.

Christina Mausolff (r.) zeigte ihren Schülerinnen, wie ein Pferd fachgerecht vermessen wird.

Christina Mausolff und ihr Kollege Marco Vohmann, die die Prüfung gemeinsam durchführen, sorgen für eine konzentrierte, aber angenehme Atmosphäre. Freundlich, aber bestimmt, befragen sie Juliana Schuhmacher und Lia-Christin Nußbaum zu Rübenschnitzel, Maisschrot und den vielen Getreidesorten, die wie an einem Buffet in halbdurchsichtigen Plastikwannen auf Bestimmung und Zuordnung warten. Der Reihe nach werden die Typen Rau-, Kraft- und Zusatzfutter beurteilt, gewogen und nach individueller Berechnung gemischt. So stellten die beiden jungen Frauen aus vielen unterschiedlichen Futtersorten eine individuelle und ausgewogene Mahlzeit für Paul zusammen.

„Gar nicht so schwer“ fand Lia-Christin Nußbaum diesen Prüfungsteil. „Ich war aber auch echt gut vorbereitet“, sagt sie selbstbewusst. Ein Jahr lang, jeden Mittwoch, besuchten die Prüflinge den theoretischen Unterricht bei Christina Mausolff. Hier erweiterten sie nach und nach ihre Pferdekompetenz. Hinzu kommt, dass die 21-Jährige über viel praktische Erfahrung im Umgang mit Pferden verfügt: Seit drei Jahren nimmt sie täglich jeweils anderthalb Stunden Hin- und Rückfahrt auf sich, um im Betheler Reitstall zu arbeiten. Sie und ihre Mitstreiterin Juliana sind über Bethels Arbeits- und Rehabilitationsbereich proWerk auf betriebsintegrierten Arbeitsplätzen beschäftigt. Noch viel länger ist Lia-Christin selbst auf dem Pferderücken unterwegs: „Ich reite schon seit der ersten Klasse“, sagt sie stolz.

Futter-Ration nach Maßband

Eingespieltes Team: Juliana Schuhmacher und Pauli verstehen sich nicht nur bei der Fütterung bestens. Fotos: Paul Schulz

Eingespieltes Team: Juliana Schuhmacher und Paul verstehen sich nicht nur bei der Fütterung bestens. Fotos: Paul Schulz

Kniffeliger ist allerdings der nächste Teil der praktischen Prüfung: Jetzt wird zuerst das Pferd gemessen und dann das Gewicht errechnet. Jetzt hat Therapiepferd Paul seinen großen Auftritt – endlich. Der Norweger hält geduldig still, während ihm Juliana Schuhmacher und Lia-Christin Nußbaum zu Leibe rücken. „Länge 1,80 von Bug bis zum Hinterteil“, ruft Juliana Schuhmacher ihrer Mitstreiterin am anderen Ende des Maßbandes zu. Zuerst ermitteln sie Brustumfang und Körperlänge, dann können sie das Gewicht errechnen. Diese Erfassung ist für Paul wichtig – schließlich errechnen die Prüflinge, wieviel Kilo Heu ihm täglich zustehen. Im zweiten Prüfungsabschnitt, der am Nachmittag desselben Tages stattfindet, wird es dann theoretisch: „Ich lasse es auf mich zukommen“, sagt Juliana Schuhmacher zuversichtlich. Die 24-jährige Bielefelderin hofft auf Fragen zu ihrem Spezialgebiet: „Beim Magen-Darm-Trakt des Pferdes kenn ich mich richtig gut aus“, sagt sie selbstbewusst. „Ich gebe auf jeden Fall mein Bestes.“

Das berufsvorbereitende Projekt ist eine Kooperation der Betheler Stiftungsbereiche proWerk und Bethel.regional. Reitstall-Mitarbeiterin Christina Mausolff hat das Programm, das sich am Rahmenplan der Ausbildung zum „Pferdewirt“ orientiert, selbst entwickelt. Anschließend erwirkte sie gemeinsam mit Jochen Häger, in Bethel Experte für die Inklusion auf dem Arbeitsmarkt, die Zertifizierung an der Landwirtschaftskammer, und führte anschließend die Lerneinheiten durch. Eine Spende von Rolf und Gerda Schopf ermöglichte das Projekt. Für die zweite Jahreshälfte ist ein weiterer Qualifizierungsbaustein geplant. Ab September soll es um die Weidehaltung von Pferden gehen.

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