Gelebte und gelungene Inklusion: Am Wochenende ging das Bethel-Team "Inkludragons" beim…
„Die Tollkühnen“ machen Theater
Was für ein Ärger: Die Sonne geht unter, die Fahrt führt durch eine unbekannte, menschenleere Gegend, und dann gibt das Auto seinen Geist auf. Diesen Alptraum jedes Reisenden erleben die beiden Hauptdarstellerinnen in der „Monsterpartie“, dem neuen Stück der inklusiven Theatertruppe „Die Tollkühnen“. Zum Glück ist ein altes Schloss in der Nähe, in dem die Reisenden Unterschlupf finden. Aber der Hausherr heißt hier nicht umsonst Günter, Graf von Grusel.
Just an diesem Abend, an dem die gestrandeten Autofahrerinnen – verkörpert von Angelika Siekmann und Barbara Kaup – an das Schlosstor klopfen, hat der schwarz gewandete Graf ein Festessen geplant. An seiner langen Tafel begrüßt er seine ganz speziellen Gäste: Es erscheinen das Schlafmonster im Pyjama, das rote Erschreckmonster, der stets sonnenbebrillte Torwächter und schließlich das unersättliche Fressmonster, das dem Gastgeber zur Begrüßung sofort in die Schulter beißen will. Eigentlich leben alle Monster friedlich auf dem Schloss, aber um Mitternacht kann eine bestimmte Farbe ihre böse Seite zum Vorschein bringen. Als plötzlich ein knallgelbes Taschentuch auftaucht, wird es für die verirrten Autofahrerinnen brenzlig.
Ganz wichtig ist das gleichberechtigte kreative Miteinander
Seit Mitte August haben die „Tollkühnen“ ihr Stück ein Mal pro Woche geprobt. Im Oktober wurde es beim Herbstfest des Begegnungszentrums Brackwede aufgeführt. Die Schauspielgruppe des Begegnungszentrums in Bielefeld-Brackwede setzt sich aus Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen. Die Leitung haben Theaterpädagogin Christine Eichholz und Bethel-Mitarbeiter Jens Brockmann übernommen. Zwölf Menschen bilden den Kern des Ensembles, acht davon mit Behinderungen und vier ohne. Einige Teilnehmer sind bereits zum dritten Mal bei dem von der Andreas-Gärtner-Stiftung geförderten Projekt dabei, andere wagen ihre ersten Schritte auf der Theaterbühne. Bewohnerinnen und Bewohner des Wohnheims „Am Stadtring“, Gäste des Betheler Begegnungszentrums und theaterbegeisterte Bielefelder Bürger machen mit. „Auch altersmäßig sind wir total gemischt“, sagt Christine Eichholz. Die Spanne reiche von Anfang 20 bis Mitte 60. Ganz wichtig ist allen Theatermachern das gleichberechtigte kreative Miteinander: Beispielsweise gab Christine Eichholz nur einen ersten Impuls, dann entwickelten die Schauspieler das Stück nach und nach aus der freien Improvisation heraus gemeinsam.
Nachdem die Lokalzeitungen ausführlich über die vergangenen Aufführungen berichtet hatten, meldeten sich sehr viele Interessierte bei Christine Eichholz. „Viele hatten noch nie mit Schauspiel zu tun und wollten es einfach mal ausprobieren. Manche merkten dann aber auch, dass Theater nichts für sie ist.“ Eine echte Leidenschaft gefunden hat hingegen Gerrit Mähl, der in seiner Rolle als Fressmonster aufgeht. „Ich esse auch in echt gerne“, sagt der routinierte Darsteller – er ist bereits zum dritten Mal dabei. „Deshalb bin ich auch nicht mehr aufgeregt – ich bin ja schon ein alter Hase.“
Fotos: Reinhard Elbracht
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